- Bayern will Mehrkosten für das Neun-Euro-Ticket nicht tragen
- Mobilitätssenatorin Schaefer hat Verständnis
- Bahn könnte Ticket ab 23. Mai anbieten
Für den Bund ist es ein „Schnupperangebot“: Ab Juni soll jede Mitbürgerin und jeder Mitbürger in Deutschland drei Monate lang für 9 Euro pro Monat mit Bussen und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr fahren können, und das bundesweit. Möglichst viele Autofahrer sollen umsteigen und danach dann bestenfalls auch weiter die sogenannten Öffis bevorzugen.
Bürgerinnen und Bürger wollen 9-Euro-Ticket nutzen
Immerhin: 44 Prozent wollen dieses Ticket auf jeden Fall oder sehr wahrscheinlich nutzen, wie aus einer am Freitag veröffentlichten ARD-Umfrage hervorgeht. 53 Prozent zeigen demnach wenig oder kein Interesse an dem stark vergünstigten Ticket, mit dem eine Entlastung von den hohen Energiepreisen möglich sein soll. Allerdings gibt es hier ein klares Stadt-Land-Gefälle: Während auf dem Land (37 Prozent) und in kleineren und mittleren Städten (41 Prozent) nur etwa vier von zehn Bürgerinnen und Bürgern das Ticket auf jeden Fall oder wahrscheinlich nutzen möchten, sind es in Großstädten 60 Prozent.
Blockiert der Bundesrat das 9-Euro-Ticket?
Die letzten Schritte: Bevor das Ticket genutzt werden kann, muss die Finanzierung erst einmal beschlossen werden. Bereits am Donnerstag gab es im Bundestag eine erste Lesung. An diesem Donnerstag (19. Mai) soll das Parlament dem 9-Euro-Ticket dann zustimmen, am Freitag (20. Mai) der Bundesrat.
Doch es gibt Kritik aus den Ländern, vor allem an der Finanzierung des Entlastungstickets. Der Vorwurf: Der Bund will nicht genug zahlen. Nach der Verbilligung könne sogar ab September ein Preisanstieg der Tickets die Konsequenz sein. Um gestiegene Energie-, Bau- und Personalkosten im öffentlichen Personennahverkehr ausgleichen zu können. Das zumindest schreibt die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz der Länder, Bremens Verkehrssenatorin Maike Schaefer, in einem Brief an das Bundesverkehrsministerium.
Der Bund hat zugesagt, den Ländern – die für den Nahverkehr zuständig sind – Einnahmeausfälle von 2,5 Milliarden Euro zu erstatten. Dazu kommen 1,2 Milliarden Euro für einen erneuten pandemiebedingten Rettungsschirm. Die andere Hälfte davon übernehmen die Länder. Sie hatten aber eigentlich 1,6 Milliarden vom Bund gefordert. Außerdem scheuen sie mögliche Risiken – für den Fall, dass die Mindereinnahmen die Summe der Bundesanteile von insgesamt 3,7 Milliarden Euro übersteigen. Deswegen müsse es bei den geplanten Änderungen des Regionalisierungsgesetzes eine „Nachschusspflicht“ des Bundes geben, fordert Schaefer. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lehnt dies bislang konsequent ab. Er will keinen Blankocheck ausstellen.
Regulär gibt der Bund in diesem Jahr schon 9,4 Milliarden an Regionalisierungsmitteln. Dass über dem Finanzierungsstreit das 9-Euro-Ticket noch im Bundestag scheitert, gilt jedoch als unwahrscheinlich.
Kritik aus den Ländern und der Opposition am 9-Euro-Ticket
Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) kritisierte, der Bund versuche, Kosten teilweise auf die Länder abzuwälzen und mit dem Corona-Rettungsschirm zu verrechnen: „Doch wer bestellt, muss auch zahlen.“ Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sagte: „Wenn, wie erwartet, viele Menschen das Ticket nutzen wollen und dafür zusätzliche Züge und Busse bereitgestellt werden müssen, will der Bund das Geld dafür nicht aufbringen.“ Der zwischen Bundesverkehrsministerium und Bundesfinanzministerium gefundene Kompromiss sei „inakzeptabel“, sagte die Sprecherin des niedersächsischen Verkehrsministers Bernd Althusmann (CDU) der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Donth zweifelte hingegen an einer Lenkungswirkung durch das 9-Euro-Ticket. Statt den öffentlichen Personenverkehr durch verbesserte Angebote attraktiver zu machen, investiere der Bund 2,5 Milliarden Euro in einen „Marketinggag“.
Der AfD-Abgeordnete Mike Moncsek sagte, aus betriebswirtschaftlicher Sicht handle es sich um eine „Irrfahrt“. Berufspendler müssten künftig in überfüllten Bahnen um ihren Platz bangen.
Wo man das 9-Euro-Ticket trotzdem schon kaufen kann
In Freiburg kann das 9-Euro-Ticket bereits jetzt erworben werden. „Wir hatten mit einem großen Ansturm gerechnet und wollten nicht, dass zum Monatswechsel Schlangen durch die halbe Innenstadt stehen, weil alle Leute gleichzeitig das Ticket kaufen wollen“, sagt Andreas Hildebrandt, Sprecher des Freiburger Verkehrsbundes VAG, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Um die Nachfrage zu entzerren, habe man bereits in dieser Woche mit dem Verkauf gestartet. Bisher ist die Nachfrage enorm, allerdings kommen die meisten Menschen in die Kundenzentren, um sich das günstige Ticket zu kaufen. „Rund 90 Prozent der bisher verkauften Tickets liefen über unsere Servicecenter“, sagt Hildebrandt.
Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) hat es dabei nicht so eilig und wartet wohl auf die Entscheidung im Bundesrat am kommenden Freitag. Ab ebenjenem 20. Mai soll man dann auch in der Hansestadt das 9-Euro-Ticket erwerben können.
Welche Entlastungen der Bund bereits beschlossen hat
Am Donnerstag hat der Bundestag die von der Bundesregierung versprochenen Zuschläge für ärmere Familien zur Abfederung der Folgen von Corona-Krise und Krieg in der Ukraine beschlossen. Mit den Stimmen der Koalition aus SPD, Grünen und FDP stimmte das Parlament am Donnerstag dafür, dass Bezieher und Bezieherinnen von Grundsicherung eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro erhalten. Für Kinder in ärmeren Familien soll zudem von Juli an ein Zuschlag in Höhe von 20 Euro pro Monat gezahlt werden. Der Höchstbetrag im Kinderzuschlag steigt damit von bis zu 209 auf bis zu 229 Euro monatlich pro Kind.
Die Ampelkoalition hatte die Einmalzahlungen vor dem Hintergrund der Belastungen insbesondere ärmerer Familien in der Corona-Pandemie Anfang März beschlossen. Wenig später brachte die Koalition wegen der steigenden Energiepreise ein zweites Entlastungspaket auf den Weg. Als Einmalzahlung für Sozialhilfeempfänger waren zunächst nur 100 Euro geplant. Mit dem zweiten Entlastungspaket wurde der Betrag verdoppelt. Außerdem soll es einen einmaligen Kindergeldzuschlag in Höhe von 100 Euro sowie die sogenannte Energiegeldpauschale kommen, mit der alle einkommenssteuerpflichtigen Bürgerinnen und Bürger in diesem Jahr 300 Euro erhalten.
RND mit Agenturmaterial