Gewerkschaft spricht von „Scheinangebot“ der Bahn

ICE-Züge Bild: dpa

Im Tarifstreit mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat die Deutsche Bahn nach eigenen Angaben Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert. „In intensiven Gesprächen bis zum späten Donnerstagabend“ habe man der EVG zugesagt, ihrer vor Monaten erhobene Forderung nach einer Abbildung des gesetzlichen Mindestlohns nachzukommen, teilte die Bahn gegen Mitternacht mit. „Wir haben die Forderung zum Mindestlohn erfüllt, jetzt steht die EVG im Wort“, sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler. „Die EVG muss nun ihre Zusage einhalten und den 50-stündigen Warnstreik absagen.“

Besonders vehement wird seit Beginn des Tarifkonflikts über den Mindestlohn gestritten, den bei der DB etwa 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur über Zulagen erhalten. Die DB habe der EVG nun eine Zusage zum gesetzlichen Mindestlohn zuzüglich einer Entgelterhöhung gemacht, teilte die Deutsche Bahn mit. Die weitere Ausgestaltung der noch zu vereinbarenden Tariferhöhungen sei Gegenstand der Tarifverhandlungen.

Die Zusage der Bahn bedeute, dass vom ersten Tag des Tarifabschlusses alle Entgelttabellen zwölf Euro ausweisen werden, sagte der DB-Personalvorstand. Keine Entgelttabelle werde weniger als den gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro beinhalten. Zudem sei klargestellt worden, dass es keinen „Deckel“ von 13 Euro geben werde, „da sich bereits das vorliegende Angebot auf 13,20 Euro beläuft“.

EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch sagte der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage, es handele sich um ein „Scheinangebot“ der Bahn. „Der Arbeitgeber hat am Ende nach langwierigen Gesprächen eine Lösungsoption auf den Tisch gelegt, die für uns diskussionswürdig war. Nachdem wir angefangen haben, diese zu diskutieren, hat er dann einen Rückzieher gemacht.“ Die EVG hatte die DB nach der Ankündigung des Warnstreiks am Donnerstag zu Gesprächen aufgefordert, wie Loroch in der Nacht erklärte. Nach aktuellem Stand werde der Warnstreik stattfinden. Die Gewerkschaft habe der Bahn aber ein Ultimatum gesetzt, im Laufe des Freitags auf sie zuzukommen „und sich zu besinnen“.

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft hatte die Beschäftigten am Donnerstag zu einem Ausstand aufgerufen, der von Sonntagabend um 22 Uhr bis Dienstagabend (24 Uh) dauern soll. Die Bahn entschied wenig später, in dieser Zeit den Fernverkehr komplett einzustellen. „Auch bei DB Regio wird während des Streiks größtenteils kein Zug fahren“, teilte der bundeseigene Konzern weiter mit.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, hält es für unnötig, dass die Deutsche Bahn wegen eines Warnstreiks der EVG den Fernverkehr für 50 Stunden einstellt. „Die EVG ist bei der Netztochter DB Netz nicht so stark organisiert, dass die Deutsche Bahn gezwungen wäre, den Schienenverkehr einzustellen“, sagte Weselsky dem Nachrichtenportal „The Pioneer“. „Mit einer gewissen Anstrengung könnte die Deutsche Bahn den Netzbetrieb aufrechterhalten und viele ICE-Züge weiterfahren.“ Der Vorstand verhalte sich verantwortungslos und ambitionslos, so Weselsky.

Verkehrsstaatssekretär Michael Theurer (FDP), der zugleich Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr ist, appellierte an die Tarifparteien, „ein Verkehrschaos zu vermeiden“. „Der Tarifkonflikt sollte nicht zulasten der Bevölkerung geführt werden“, sagte Theurer dem Berliner „Tagesspiegel“. Alle Seiten seien „aufgefordert, sich entsprechend ihrer Verantwortung zu verhalten“.

Zweimal hatte die EVG im laufenden Tarifkonflikt bereits zum Ausstand aufgerufen – auch bei diesen Aktionen folgten die Einstellung des Fernverkehrs und ein fast kompletter Stillstand im Regionalverkehr.

Die Gewerkschaft vertritt bei der Bahn Beschäftigte aus fast allen Bereichen und hat sämtliche Berufsgruppen zum Warnstreik aufgerufen. Entsprechend heftig sind die Auswirkungen. Treten etwa die Fahrdienstleiter in den Warnstreik, steht gleich der gesamte Verkehr auf bestimmten Streckenabschnitten still.

(dpa)