Zahl der Gewaltvorfälle an Schulen im Norden steigt

ARCHIV – Zwei Schüler prügeln sich auf dem Schulhof in Leichlingen. Foto: Oliver Berg/dpa

Die Gesamtzahl der Opfer im Schulkontext kletterte demnach von rund 2630 im Jahr 2022 auf etwa 3270 im Jahr 2023. Darunter waren rund 1110 Schüler:innen sowie knapp 150 Lehrkräfte. Zu den anderen Opfern gab es keine Details. Es könnten Schulbeschäftigte wie Hausmeister oder schulfremde Personen sein, hieß es. Im Bereich Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit stieg die Zahl seit dem Jahr 2022 um rund 520 Fälle auf 2680. In die Kategorie fallen Taten wie Raub, Bedrohung und Körperverletzungen.

Für das Land Bremen konnte die Polizei zunächst keine Zahlen für das Jahr 2023 nennen, stellte aber klar: „2022 ist eine Zunahme der Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr festzustellen. Für 2023 lässt sich ein weiterer Anstieg der Straftaten an Schulen im Land Bremen beobachten.“ Die Zahl der Polizeieinsätze an den Schulen stieg von 704 im Jahr 2022 auf 750 im Jahr 2023.

Hat Gewalt-Bereitschaft zugenommen?

Nach Angaben des Allgemeinen Schulleitungsverbandes Deutschlands haben viele Lehrkräfte das Gefühl, dass die Bereitschaft zur Gewalt zugenommen hat. „Wir haben bemerkt, dass mehr Waffen zur Schule mitgenommen werden als früher“, sagte der Verbandsvorsitzende Sven Winkler. Dabei handele es sich vor allem um Messer und sogenannte Anscheinswaffen. Das sind Waffen, die echten Schusswaffen täuschend ähnlich sehen. Ob Kinder und Jugendliche Waffen dabeihaben, weil sie gewaltbereit sind, oder weil sie Angst haben und diese zur Selbstverteidigung nutzen wollten, sei unklar.

Um Gewalt zu verhindern, versuchen viele Schulen die Sozialarbeit auszubauen. Oft fehle es aber an Personal, Zeit und Geld, sagte Winkler, der auch Leiter einer Schule im niedersächsischen Oldenburg ist. Häufig gebe es lokale Netzwerke etwa mit den Schulträgern, der Jugendhilfe und der Polizei, um Ursachen von Fehlverhalten und Gewalt zu ergründen und künftig zu verhindern. Grundsätzlich seien Kinder und Jugendliche in den Schulen mindestens genauso sicher wie in anderen Kontexten.

Gewalt an Hamburger Schulen gestiegen

Auch in Hamburg ist die Zahl der Gewalttaten an den Schulen im vergangenen Schuljahr deutlich gestiegen, liegt im Vergleich zur Gesamtzahl der Schüler:innen aber immer noch auf einem niedrigen Niveau. So seien bei knapp 260.000 Schülerinnen und Schülern des Schuljahres 2022/23 insgesamt 261 Kinder, Jugendliche und Beschäftigte Opfer einer bei der Polizei gemeldeten Gewalttat geworden, teilte die Schulbehörde auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Die Zahl der mutmaßlichen Täter lag demnach bei 296.

In 124 Fällen sei es um gefährliche Körperverletzung, in 13 Fällen um Raub und Erpressung und in 64 Fällen um Sexualdelikte gegangen. Betroffen waren 123 der gut 410 allgemeinbildenden Schulen. Zum Vergleich: In ganz Hamburg gab es der Kriminalitätsstatistik zufolge im vergangenen Jahr bei fast 1,9 Millionen Einwohnern knapp 8400 Gewaltdelikte. An diesem Freitag ist der Tag der Kriminalitätsopfer. Seit 1991 macht der Weiße Ring dabei auf Menschen aufmerksam, die durch Kriminalität und Gewalt geschädigt wurden.

Corona-Pandemie als Treiber für Gewalt?

Trotz der absolut relativ niedrigen Zahlen verzeichnete die Behörde einen deutlichen Anstieg bei den Gewalttaten an Schulen. Im Vergleich zum Schuljahr 2021/22 stieg die Zahl um 23 Prozent, im Vergleich zum letzten vollständigen Vor-Corona-Schuljahr 2018/19 um 84 Prozent. Bei den gefährlichen Körperverletzungen erhöhte sich die Zahl um 16 Prozent beziehungsweise etwa 91 Prozent. Bei den Sexualstraftaten kletterten die Werte um 16 beziehungsweise 106 Prozent. Als Ursache machte die Beratungsstelle Gewaltprävention der Schulbehörde vor allem die Folgen der Corona-Pandemie aus.

Es habe neun Monate kein Präsenzleben in der Schule und damit auch kaum ein soziales Lernen mit Gleichaltrigen und schulischem Personal gegeben. Auch außerhalb der Schule hätten wegen der Pandemie soziale Kontakte gefehlt. Gleichzeitig hätten präventive Maßnahmen in den Schulen ausgesetzt oder eingeschränkt werden müssen. Die Folge: „Bei der Rückkehr in die Schulen agierten viele Kinder und Jugendliche aufgrund dieser Defizite durch körperliche Auseinandersetzungen und Gewalt“, erklärte die Beratungsstelle. Sie gehe aber davon aus, dass die Zahlen in den kommenden Jahren wieder sinken würden.

Grundschulen verzeichneten größten Anstieg an Gewalttaten

Knapp die Hälfte aller Gewalttaten registrierten Hamburgs Stadtteilschulen, obschon dort nur 27 Prozent aller Schüler:innen unterrichtet werden. Danach folgten mit gut einem Drittel die Grundschulen, die den Angaben zufolge den größten Anstieg an Gewalttaten verzeichneten und 29 Prozent der Schülerschaft stellten. Den größten Anteil an den Gewalttaten (8 Prozent) im Verhältnis zur Schülerzahl (2 Prozent) gab es an den Sonderschulen, den geringsten Anteil an den Gewalttaten (2 Prozent) im Verhältnis zur Schülerzahl (19 Prozent) an den Berufsschulen.

Von den 296 Tatverdächtigen im Schuljahr 2022/23 waren 258 oder 87 Prozent männlich. Aufgeschlüsselt nach dem Alter der Verdächtigen waren die meisten 14 bis 17 Jahre alt, gefolgt von den 10- bis 13-Jährigen und den 5- bis 9-Jährigen. Während bei den beiden älteren Gruppen die Zahl der Tatverdächtigen im Vergleich zum Vorjahr annähernd gleich blieb, verzeichnete die Schulbehörde bei den Grundschülern einen Anstieg von fast 70 Prozent. Im Vergleich zum letzten vollständigen Vor-Corona-Schuljahr 2018/19 stieg die Zahl der Tatverdächtigen bei den 5- bis 9-Jährigen um 170 Prozent, bei den 10- bis 13-Jährigen um rund 78 Prozent und bei den 14- bis 17-Jährigen um 146 Prozent. Unter den 261 Opfern von Gewalttaten waren den Angaben zufolge 142 Schüler und 99 Schülerinnen sowie 12 Schulmitarbeiterinnen und 8 -Mitarbeiter.

dpa