Kompromiss im Bürgergeld-Streit: Auf diese Punkte haben sich Ampel und Union geeinigt

Berlin. Nach tagelangem Ringen haben die Ampelkoalition und die Union den Weg für das geplante Bürgergeld freigemacht. Beide Seiten erzielten in den Streitfragen zu der geplanten Sozialreform Kompromisse, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag aus Koalitionskreisen in Berlin. Das Bürgergeld soll zum 1. Januar 2023 die heutigen Hartz-IV-Leistungen ablösen.

„Wir haben den großen Systemwechsel auf den Weg gebracht“, sagte Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD. Es werde ein Vorschlag an den Vermittlungsausschuss überwiesen. Dieser solle auch die Mehrheit im Bundesrat sichern. „Es ging uns vor allen Dingen darum, Menschen in Not in dauerhafte Jobs zu vermitteln.“ Es sei ein Kulturwandel.

Auf diese Punkte haben sich Ampel und Union laut Beschlussvorschlag geeinigt:

  • Die sechsmonatige Vertrauenszeit, in der nur eingeschränkte Sanktionen möglich sein sollten, entfällt.
  • Die erste Pflichtverletzung soll mit einer Kürzung der Leistungen für einen Monat um 10 Prozent sanktioniert werden. Auf die zweite Pflichtverletzung soll mit 20 Prozent Kürzungen für zwei Monate reagiert, und die dritte Pflichtverletzung soll mit 30 Prozent Leistungskürzungen für drei Monate sanktioniert werden.
  • Die Karenzzeit wird von 24 Monate auf zwölf Monate verkürzt. In dieser Zeit soll die Wohnungsgröße weiterhin nicht überprüft werden.
  • Die Grenze des Schonvermögens wird runtergesetzt: Sie soll bei maximal 40.000 Euro liegen und für jede weitere Person im Haushalt bei 15.000 Euro. Zuvor lag die geplante Grenze bei 60.000 Euro und 30.000 Euro.

Die FDP zeigte sich zufrieden mit dem Verhandlungsergebnis. „Wir begrüßen, dass die sogenannte Vertrauenszeit nun entfällt und damit klar ist, dass zu jedem Zeitpunkt als Ultima Ratio die Verhängung von Sanktionen möglich ist“, sagte der Bürgergeld-Sprecher der FDP-Bundestagfraktion, Jens Teutrine, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Nun ist unmissverständlich klargestellt, dass beim Bürgergeld das Prinzip Fördern und Fordern weiterhin gilt“, betonte er. „Sinn und Zweck der Karenzzeit für das Schonvermögen ist, dass, wer kurzfristig in soziale Bedürftigkeit fällt, nicht sofort private Altersvorsorge, Erspartes oder Wohneigentum verlieren muss. Sonst verfestigt sich Armut.“

Bereits geplant war, dass der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einen Kompromiss spätestens an diesem Mittwoch festzurrt. Bis Mittwoch um 24 Uhr muss der Vermittlungsausschuss sich schlussendlich über den genauen Text einigen. Am Freitag sollen Bundestag und Bundesrat das Bürgergeld-Gesetz beschließen. Zum 1. Januar sollen dann die Bezüge etwa von Alleinstehenden um mehr als 50 Euro auf 502 Euro steigen.

Union forderte mehr Sanktionen

Die Union hatte darauf gepocht, dass es mehr Sanktionen für Empfängerinnen und Empfänger gibt als ursprünglich geplant. Solche Leistungsminderungen sollen greifen, wenn Arbeitslose sich zum Beispiel nicht für einen Job bewerben, obwohl dies mit dem Jobcenter vereinbart war. Die Ampel hatte eine „Vertrauenszeit“ von sechs Monaten vorgesehen, in denen es diese Sanktionen nicht geben sollte. Indem die Vertrauenszeit wegfalle, falle auch der Kern der ursprünglichen Version weg, sagte CDU-Vorsitzender Friedrich Merz.

Das Bürgergeld in seiner ursprünglichen Form bezeichnete Merz als „Einstieg in ein bedingungsloses Grundeinkommen“. Weil CDU-Fraktion und Ministerpräsidenten so eng zusammenarbeiteten, sei dies nun verhindert worden, lobte er die Partei. Auch der Vorsitzende der CSU im Bundestag, Alexander Dobrindt, zeigte sich zufrieden mit dem Vorschlag: „Wir haben schwere Fehler im Hartz-IV-Update beseitigt.“ Trotzdem sehe er im aktuellen Entwurf noch eine Reihe von Umsetzungsproblemen.

Zudem forderten CDU und CSU, dass Betroffene weniger eigenes Vermögen behalten dürfen, wenn sie die staatliche Leistung erhalten. Die FDP hatte Grüne und SPD zuvor zu Kompromissen aufgefordert. Auch „noch attraktivere Hinzuverdienstregeln“ sollten dabei in den Blick kommen. Laut bisherigem Entwurf soll künftig mehr von seinem Einkommen behalten können, wer zwischen 520 und 1000 Euro verdient.

RND/dpa