Eilantrag gegen Pflege-Impfpflicht gescheitert

Das Bundesverfassungsgericht hat einen Eilantrag gegen die geplante Impfpflicht im Pflege- und Gesundheitswesen abgelehnt. Damit kann das Gesetz vorerst umgesetzt werden. Eine endgültige Entscheidung steht allerdings noch aus.

Die Corona-Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitspersonal kann aus rechtlicher Sicht wie geplant ab Mitte März umgesetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe lehnte es im Eilverfahren ab, die Vorschriften vorläufig außer Kraft zu setzen. Das bedeutet noch nicht, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht grundsätzlich verfassungsmäßig ist – dies muss noch im Hauptverfahren geprüft werden. Bei dem heutigen Beschluss ging es um eine Regelung für die Zwischenzeit.

Angesichts der “sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung” und dem hohen Risiko für die Gesundheit vulnerabler Menschen, wenn sie sich infizierten, entschied sich das Gericht gegen das Aussetzen der Regelung.

Ein vorläufiger Stopp des Gesetzes ginge mit der Gefahr einer geringeren Impfquote in den betroffenen Einrichtungen einher. Damit erhöhe sich wiederum die Gefahr, dass sich die dort arbeitenden Menschen infizieren und sie dann das Virus auf vulnerable Gruppen übertragen. Die könnten in der Folge an Corona erkranken oder gar sterben. Die Sachverständigen, die das Gericht befragt hatte, seien fast alle der Ansicht, dass die Impfung einen Schutz auch vor Omikron biete. Selbst wenn der Schutz auch mit der Zeit nachlasse.

Impfpflicht für Mitarbeiter “nicht unausweichlich”

Zwar sei die Impfpflicht für das betroffene Personal ebenfalls mit Nachteilen von Gewicht verbunden. Eine Impfung könne zu vorübergehenden Beschwerden führen, im Einzelfall könnten auch schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten, die in extremen Ausnahmefällen auch tödlich sein könnten. Allerdings sei die Impfpflicht für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht unausweichlich.

Dass mit einem vorübergehender Wechsel der Tätigkeit irreversible Nachteile verbunden wären, hätten die Beschwerdeführer nicht dargelegt, erklärten die Verfassungsrichter. Wirtschaftliche Nachteile seien nicht ausreichend, um die Aussetzung eines Gesetzes zu begründen.

Die Richter merkten allerdings kritisch an, dass im Gesetz nichts Genaueres zum Impf- und Genesenennachweis stehe. Es werde lediglich auf eine Verordnung mit weiteren Verweisen auf Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts verwiesen.

Dahmen begrüßt Entscheidung

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen befürwortete die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. “Jetzt gilt es, die Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitspersonal bundesweit ab Mitte März umzusetzen”, sagte der Bundestagsabgeordnete. CDU und CSU müssten in den von ihnen regierten Bundesländern geltendes Recht umsetzen.

Das “parteipolitische Hickhack” der Union habe der Akzeptanz der Impfpflicht in den letzten Tagen schwer geschadet, sagte Dahmen. “Die Union sollte jetzt auf den Weg von Rechtsstaatlichkeit und Vernunft zurückkehren.”

Schutz für alte und geschwächte Menschen

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht soll alte und geschwächte Menschen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen, die ein besonders hohes Risiko haben, sehr schwer zu erkranken oder daran zu sterben. Sie gilt für Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken, aber zum Beispiel auch in Arztpraxen und bei ambulanten Diensten, für Hebammen, Physiotherapeuten und Masseure.

Das Gesetz zur Teil-Impfpflicht sieht vor, dass die Beschäftigten bis zum 15. März 2022 nachweisen müssen, dass sie voll geimpft oder kürzlich genesen sind. Neue Beschäftigte brauchen den Nachweis ab 16. März von vornherein. Für Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, gilt eine Ausnahme. Fehlt der Nachweis, muss das Gesundheitsamt informiert werden, um den Fall zu untersuchen. Es kann dem Betroffenen dann verbieten, die Einrichtung zu betreten oder seine Tätigkeit weiter auszuüben.

Klagewelle gegen Impfpflicht

Die Verabschiedung der Impfpflicht in Bundestag und Bundesrat Mitte Dezember hatte eine Klagewelle in Karlsruhe ausgelöst. Bis 3. Februar waren bereits 74 Verfassungsbeschwerden von etwa 300 Klägerinnen und Klägern eingegangen, viele davon mit Eilanträgen. Für ihre Entscheidung haben die Richter ein Musterverfahren ausgewählt.

Hinter den Beschwerden stecken laut Gericht viele Beschäftigte, die ungeimpft sind oder nicht weiter geimpft werden wollen. Einige seien auch genesen. Auch Leiter von medizinischen Einrichtungen, die weiter Ungeimpfte beschäftigen wollen, hätten geklagt. Und Menschen, die zum Beispiel bei ungeimpften Ärzten und Zahnärzten in medizinischer Behandlung seien.

Die Bundesregierung hält den gesetzlichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit für gerechtfertigt. Die besonders Gefährdeten könnten sich zum Teil nicht selbst vor einer Infektion schützen. Die Menschen in ihrem Umfeld hätten daher eine besondere Verantwortung.

In den vergangenen Wochen sorgte die einrichtungsbezogene Impfpflicht vermehrt für Streit. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte zu Beginn der Woche angekündigt, sie in seinem Bundesland zunächst nicht umzusetzen. Gesundheitsämter sehen bei der Umsetzung noch offene Fragen. Zudem befürchten Verbände eine Abwanderung von Fachkräften.

Aktenzeichen: 1 BvR 2649/21