Der umstrittene Messengerdienst lenkt nach monatelangem Druck der Regierung ein. Auch den Kanal von Attila Hildmann macht das Unternehmen nach Forderungen des BKA dicht. Innenministerin Nancy Faeser will den Druck auf das Unternehmen hoch halten.
Am Freitag wurden zudem weitere Details der Kontakte zwischen Telegram und Bundesregierung bekannt. Am Donnerstag kam es den Angaben zufolge zu einem zweiten Gespräch auf Arbeitsebene zwischen Regierung und Telegram. Die Regierung und das Unternehmen wollten “weiterhin in einem engen Austausch bleiben”, hieß es nach den Gesprächen. Das habe Unternehmensgründer Pavel Durov bereits im ersten Gespräch zugesichert, an dem er selbst teilgenommen habe.
Innenministerin Nancy Faeser machte deutlich, dass sie im Fall Telegram weiter durchgreifen will. “Wir erleben auf Telegram immer neue Wellen des Hasses und der Bedrohungen gegen Menschen und gegen unsere Demokratie” sagte sie der SZ. “Dagegen handeln wir schnell und konsequent.” Sie werde weiter darauf drängen, dass das Unternehmen seiner Verantwortung und den gesetzlichen Pflichten nachkomme, sagte sie. “Telegram darf nicht länger ein Brandbeschleuniger für Rechtsextreme, Verschwörungsideologen und andere Hetzer sein. Morddrohungen und andere gefährliche Hassposts müssen gelöscht werden und deutliche strafrechtliche Konsequenzen haben.” Die Löschaktion sieht die Innenministerin als Erfolg des wochenlangen Drucks auf Telegram. “Das Bundeskriminalamt hat die Ermittlungen deutlich verstärkt. Ich habe vom ersten Tag im Amt an deutlichen Druck aufgebaut, um Telegram zur Kooperation zu bringen. Dieser Druck wirkt.”
Die Kanäle des Verschwörungsideologen Attila Hildmann auf Telegram sind in Deutschland bereits seit Dienstag nicht mehr abrufbar. Nutzer, die darauf zugreifen wollen, erhalten die Benachrichtigung, dass der Kanal nicht angezeigt werden könne, “weil er gegen lokale Gesetze verstößt”. Hildmann, der als veganer Koch bekannt geworden war, hatte via Telegram Corona-Verschwörungsmythen und Hetze an etwa 100 000 Nutzerinnen und Nutzer verschickt. Seit Februar 2021 wird der 40-Jährige von der Berliner Justiz mit Haftbefehl gesucht. Er ist inzwischen untergetaucht und hält sich möglicherweise in der Türkei auf.
Die Politik fühlte sich anfangs vorgeführt
Das Innenministerium fordert seit Längerem, dass Hass und Hetze bei Telegram geächtet und entfernt werden. Bislang kam das Unternehmen der gesetzlichen Verpflichtung zum Löschen jedoch nicht nach. In der Bundesregierung sorgte das zuletzt für wachsenden Ärger. Die Politik fühlte sich vorgeführt. Denn erste Verfahren blieben schon deshalb erfolglos, weil deutsche Behörden nicht einmal eine Adresse des Unternehmens ausfindig machen konnten, an die sie einen Bescheid hätte verschicken können. Telegram hat seinen Sitz in Dubai. Zuletzt drohte die Regierung dem Unternehmen dann offen mit massiven Bußgeldern von bis zu 55 Millionen Euro.
Telegram wird unter anderem von radikalen Impfgegnern und Querdenkern genutzt, um sich für Proteste gegen die Corona-Maßnahmen zu vernetzen. Der Thüringer Verfassungsschutz hatte zuletzt etwa beklagt, dort würden besonders viele konkrete Umsturzfantasien verbreitet. Die Plattform nutzten auch zahlreiche Rechtsextremisten. Im Dezember hatten Telegram-Nutzer in einem Chat darüber geschrieben, den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) wegen seiner Corona-Politik töten zu wollen.