Bau von Flüssiggas-Terminal in Stade?

Verflüssigtes Erdgas LNG spielt im weltweiten Energie-Geschäft eine große Rolle: Bundesfinanzminister Olaf Scholz will den LNG-Import aus den USA unterstützen – parallel zum Bau von Nord Stream 2. Die Kritik daran: Der Erdgas-Ausbau verzögert die Energiewende und ist klimapolitisch nicht zu rechtfertigen.

Die Kräne am Kai, die Silhouette der Kläranlage, die Kuppel des alten Kernkraftwerks: Das ist Bützfleth, ein Industriegebiet in der niedersächsischen Stadt Stade. Doch die beiden Männer, die am Hafen der Elbe herüberblicken, haben nur Augen für eine unbebaute Grünfläche.„Das ist vor der Kläranlage, die sie dahinten sehen. Davor wären die beiden Tanks, wo LNG gelagert wird. Und dahinter wären dann die ganzen Aufbereitungsanlagen, die das LNG regasifizieren, das Verwaltungsgebäude. Ja, so ist die Vision 2026. Wir gehen davon aus, dass wir 2026 in den Regelbetrieb gehen.“Manfred Schubert, geschäftsführender Gesellschafter der Hanseatic Energy Hub GmbH, ist einer von mehreren Investoren, die ein neues Hafenterminal bauen wollen. Aus den USA, aus Katar, Saudi-Arabien, Russland, Norwegen und Kanada könnten dann riesige Schiffe am Seehafen Stade anlanden und ihre wertvolle Fracht entladen: LNG, „Liquefied Natural Gas“. Verflüssigtes Erdgas, das dann hier in Stade in einer Verdampfungsanlage in seinen gasförmigen Urzustand zurückversetzt werden könnte.

Entwicklung des Handelsvolumens von LNG (“liquefied natural gas”) weltweit in den Jahren von 1970 bis 2019 (statista / Daten: BP)

Die Vision: eine Drehscheibe für grüne Gase und Wasserstoff

Die Stadt ist für das Vorhaben. Baurat Lars Kolk hat sogar einen Plan, der weit über einen Erdgas-Import hinausgeht. „Am Ende des Tages geht es natürlich darum, dass wir die Hoffnung und Vision haben, dass wir in 20 Jahren hier eine funktionierende Drehscheibe haben für grüne Gase, für Wasserstoff, die unglaublich viele Synergieeffekte hervorholen kann. Und am Ende des Tages dann auch von hier aus grüne Gase und/oder Wasserstoff in ein überregionales Netz geleitet wird, sodass wir sukzessive ab 2030, nach vorne schauend, auch wirklich sagen können: Der Grundstein für eine CO2-freie Energieversorgung ist gelegt.“Verflüssigtes Erdgas: Im Energie-Monopoly der Weltmächte ist das eine einflussreiche Spielkarte. Und auch in Deutschland könnte LNG bald schon Milliardensummen bewegen. Denn in der Ostsee entscheidet sich gerade das Schicksal von Nord Stream 2 – jener umkämpften Pipeline für Erdgas aus Russland, die in der EU und in den Vereinigten Staaten so viele erbitterte Gegner hat. Um die Wogen zu glätten, soll Bundesfinanzminister Olaf Scholz, SPD, den USA im Herbst letzten Jahres angeboten haben, parallel zum Bau der Ostsee-Pipeline den Import von amerikanischem Erdgas über die Nordsee zu unterstützten. Laut Presseberichten will er den Bau von LNG-Terminals mit bis zu einer Milliarde Euro Steuergeld fördern, sofern die USA im Gegenzug ihren Widerstand gegen Nord Stream 2 aufgeben.

Scholz selbst und sein Ministerium schweigen zu diesem angeblichen Kuhhandel. Wie lange Scholz das durchhält, wird sich zeigen. Denn erst diese Woche hat der Bundestag auf Antrag der Grünen den Bundesfinanzminister deshalb ins Parlament zitiert. Zuvor hatte die Deutsche Umwelthilfe das entsprechende Dokument veröffentlicht. Ein derartiger Deal würde gut in das Energiewende-Konzept der Bundesregierung passen.

Verteilung der Erdgasbezugsquellen Deutschlands im Jahr 2019 (statista / Daten: BP)

Denn das sieht Erdgas als Brückentechnologie in ein treibhausgasfreies Zeitalter vor. Und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU bestätigte schon im Februar 2019 während einer amerikanisch-deutschen Pressekonferenz: Wenn Deutschland aus Atom- und Kohlestrom aussteigen und gleichzeitig die Verkehrswende stemmen will, dann braucht es beides: Pipeline-Gas aus Russland und auch LNG, zum Beispiel aus den USA.

„Was Energieversorgung angeht, ist Europa und darf nicht erpressbar sein“

„Wir haben mit russischen Gasimporten über 40 Jahre positive Erfahrungen gemacht. Trotzdem ist es richtig, bei weiter wachsendem Gasbedarf auch dafür zu sorgen, dass andere Gasbezugsquellen möglich sind und realisiert werden können. Was Energieversorgung angeht, ist Europa und darf Europa nicht erpressbar sein von niemandem, egal ob von Feinden oder Freunden. Wir haben ein Interesse daran, unsere Energieversorgung zu jedem Zeitpunkt zu sichern.“Hierzulande aber geht es längst nicht nur darum, nicht erpressbar zu sein. Politik und Industrie sehen Deutschland als eine potentielle Drehscheibe im innereuropäischen Gashandel, und sie schwärmen von einer künftigen „Wasserstoff-Republik“. Kraftwerke, Gasnetze und Terminals sollen massiv ausgebaut werden.Die Wissenschaftlerinitiative „Scientists for Future“ geht von einem Investitionsvolumen von über 18 Milliarden Euro aus. Hinter all dem steht ein großes Klima-Versprechen. Denn durch die Gasnetze, die Deutschland vorerst noch mit fossilem Erdgas versorgen, sollen künftig grüne Gase strömen – beispielsweise Bio-LNG oder grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen.

Auch der Umweltschützer Jörg Schrickel steht am Ufer der Elbe. In Stade vertritt er die Umweltorganisation BUND, die sich vehement gegen das Gas-Terminal-Projekt ausspricht. „Also dass nicht alles Gold ist, was glänzt, das ist mir persönlich auch erst seit drei Jahren klar. Dass das mit diesem LNG oder letztendlich mit Gas als Brückentechnologie nicht gut ist.“Klimaschützer wie Schrickel sind durch eine neue wissenschaftliche Erkenntnis aufgeschreckt: Die Konzentration von Methan in der Atmosphäre steigt seit einigen Jahren sprunghaft an. Methan, geruchlos und explosiv, ist als Treibhausgas vielfach klimaschädlicher als das allseits gefürchtete Kohlendioxyd CO2 – und es ist der Hauptbestandteil von Erdgas. In der weltweiten Erdgas-Infrastruktur muss es also riesige Lecks geben, zum Beispiel in Gasleitungen. Besonders viel Methan wird nach dem derzeitigen Kenntnisstand beim so genannten Schiefergas-Fracking frei, das in den USA viel praktiziert wird. Hat die Energiepolitik, als sie sich auf das Klimaziel CO2-Vermeidung ausrichtete, womöglich das sehr viel größere Methan-Problem übersehen? „Da sind wir jetzt da irgendwie so dicht da mit dem Rücken zur Wand, dass wir uns einfach keine Umwege mehr leisten können. Diese Methan-Leckagen, die hatte eben keiner auf dem Schirm.“Zwar hat US-Präsident Joe Biden inzwischen den Stopp von weiteren Öl- und Gasbohrungen auf bundeseigenem Land verhängt. Das umstrittene Schiefergas-Fracking aber will er nicht ganz verbieten. Sollte es also tatsächlich zum Bau eines LNG-Terminals am Seehafen kommen, fürchtet Schrickel, dann könnte Stade zum Einfallstor für amerikanisches Fracking-Gas werden. Doch ist es realistisch, einen energieintensiven Industriestandort wie Deutschland sicher zu versorgen – ganz ohne Atom- und Kohlestrom, und ohne jeden Erdgas-Import?

Eine sportliche Herausforderung

Schrickel gibt zu: Ja, das wäre eine sportliche Herausforderung. Doch dass das Ende der fossilen Rohstoffe – irgendwann, marktgetrieben – quasi von alleine kommt, das scheint ihm noch weniger realistisch. Seine Befürchtung ist: Politik und Industrie wollen durch Herbeireden von grünen Zukunftsenergien den notwendigen wie kostspieligen Umbau des Energiesektors hinauszögern.„Deswegen haben wir das Gefühl, diese ganze Diskussion um Wasserstoff und Bio-LNG, das ist ein trojanisches Pferd, um uns jetzt wirklich länger als für drei Jahre dieses LNG unterzujubeln. Es wird nicht sehr schnell Wasserstoff importiert werden, und wir werden hier Jahrzehnte mit einer fossilen Infrastruktur arbeiten.“All das könnte sich auch wirtschaftlich rächen, fürchtet der Umweltschützer. Denn die Klimaziele von Paris verpflichten Deutschland rechtsverbindlich, bis zum Jahr 2050 weitgehend frei von Treibhausgasen zu wirtschaften – das aber sei mit den hohen Emissionen insbesondere von LNG schlicht unmöglich. Daher könnte die Bundesregierung früher oder später gezwungen sein, den Ausstieg aus der Erdgas-Wirtschaft politisch zu veranlassen – und dem deutschen Steuerzahler könnte das gleiche blühen wie schon beim Atom- und Kohle-Ausstieg: Eine mächtige Industrie müsste für ihre Verluste teuer entschädigt werden.

„Die Nachfrage nach LNG ist nicht absehbar sicher. Also ich bin ja auch schon ein paar Jahrzehnte da in der Wirtschaft tätig. Aber dass es irgendwie ein tragfähiges Geschäftsmodell ohne Abnahmemarkt geben soll, das ist mir noch nicht untergekommen. Es sei denn, ist es wirklich politisch gewollt. Und das genau ist meine Grundhypothese. Und dann sitzen wir hier auf dieser Investitionsruine.“Dass die Perspektive für einen langfristig rentablen LNG-Import wackelig ist, bestätigen auch die Entwicklungen in zwei anderen Nordsee-Städten, in denen es ebenfalls Pläne für ein mögliches LNG-Terminal gibt. Im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel geht es mit dem Genehmigungsverfahren nicht voran, die Investitionsentscheidung wird immer wieder aufgeschoben. Und im niedersächsischen Wilhelmshaven sieht es so aus, als habe sich die Terminal-Idee gleich aus zwei Gründen erledigt: Erst wurde ein schutzwürdiges Unterwasser-Biotop entdeckt, dann legte der Investor das Projekt von sich aus auf Eis: Das Kundeninteresse hatte sich als zu gering erwiesen.In Stade dagegen ist die Stimmung weiterhin optimistisch. Energiefirmen aus dem Nahen Osten, aus Europa und Asien hätten bereits Interesse signalisiert, die Hansestadt als Anlandepunkt und Zwischenspeicher für ihr LNG zu nutzen, berichtet Investor Manfred Schubert.In den Vereinigten Staaten dagegen habe sich bislang kein potenzieller Kunde gefunden. Dass Stade zum Einfallstor werden könnte für amerikanisches Fracking-Gas, würde demnach nicht drohen.

Bedenken gegen die deutsche Erdgas-Importstrategie

Dennoch haben Umweltverbände an dem Terminal-Projekt einiges zu kritisieren: Die Elbe-Zufahrt zum Hafen, die in der Nähe eines Naturschutzgebiets liegt, müsse ausgebaggert werden. Und das Störfallrisiko durch die explosive Ladung der LNG-Tanker sei hoch, denn in unmittelbarer Nähe zum geplanten Anlandepunkt gibt es verschiedene Chemie-Anlagen sowie die Hinterlassenschaften des im Rückbau befindlichen Kernkraftwerks. Investor Schubert ist dennoch zuversichtlich, dass er all diese Kritikpunkte im bevorstehenden Genehmigungsverfahren ausräumen kann. Stadtbaurat Lars Kolk aber ahnt: Schwerer als die Detailkritik wiegen die Bedenken gegen die deutsche Erdgas-Importstrategie insgesamt.
„Letzten Endes ist doch die Sorge der Umweltverbände, dass das große Invest, was jetzt an dieser oder an anderen Stellen mit Blick auf Erdgas getätigt wird, dass das die Zementierung auf fossilen Energieträger mit sich bringt. Aber dem ist nicht so. Dieses Terminal ist die zwingende Voraussetzung dafür, dass wir zukünftig grüne Gase umschlagen können. Und wer aussagt, dass wir aber grüne Gase selber oder auch Wasserstoff hier in Deutschland erzeugen können, der irrt.“
Die Energiewende nehme auch in sonnenverwöhnten Energieexport-Ländern wie Katar oder Saudi-Arabien an Fahrt auf, berichten Kolk und Schubert: Das fossile Erdgas, das heute noch den Weltmarkt beherrscht, werde nach und nach durch grüne Gase ersetzt werden.

Und das geplante Terminal oder „Hub“, wie es im Experten-Jargon heißt, werde Deutschland den Zugang zu diesem Zukunftsmarkt bieten. Denn grünes Gas aus erneuerbaren Energien hat die gleiche Zusammensetzung wie fossiles Erdgas und könne von den neuen Anlagen ebenso leicht verarbeitet werden. Für einen Import von Wasserstoff müsste das Terminal zwar umgerüstet werden, technisch sei aber auch das möglich. Darum ist Investor Schubert sich sicher: Der junge Weltmarkt für grüne Gase wird durch die Nachfrage aus Deutschland beflügelt werden.„Deshalb sehe ich auch eine Konkurrenz von anderen Hubs, die sich entwickeln, für die Energiewende als zwingend notwendig. Sonst werden wir da einfach abgehängt vom Weltmarkt. Wir müssen jetzt an die internationalen Märkte die Signale aussenden: Deutschland bietet die Flexibilität, flüssige Gase zukünftig anzunehmen. Sonst war’s das.“Unter den drei möglichen Standorten in Deutschland wäre Stade derjenige mit der größten Kapazität: Investitionsvolumen 850 Millionen Euro. Eine Frage aber bleibt: Warum sollte der Weltmarkt überhaupt auf grüne Gase umschwenken, wenn doch fossiles Erdgas in rauen Mengen vorhanden und hochgradig rentabel ist? Hier vertraut Stadtbaurat Kolk auf den Gesetzgeber, der CO2-Emissionen besteuert und fossile Rohstoffe damit unrentabel macht. In der EU wird der so genannte Emissionshandel seit 2005 praktiziert. Deutschland hat Anfang des Jahres 2021 zusätzlich eine nationale CO2-Bepreisung eingeführt, die Emissionen in den Bereichen Straßenverkehr und Heizen verteuert – durch einen Preisaufschlag, der niedrig beginnt und über die Jahre ansteigt.

„Fossiles Erdgas ist keine Brückentechnologie“

„Je zügiger eine wirksame CO2-Bepreisung Einzug hält, desto schneller wird der Markt auf grüne Gase umswitchen. Und desto schneller würde dann auch im Fall von Stade dieses Terminal durch grüne Gase oder mit grünen Gasen beliefert werden. Das muss man einfach ganz klar sagen: Es ist eine Frage, wie schnell Politik und Gesellschaft bereit sind, diese CO2-Bepreisung wirksam vorzunehmen.“Ja, wie groß ist die Bereitschaft, wirksame Energiewende-Anreize zu setzen und dann auch zu nutzen? Klimaschützer sind in dieser Frage weniger optimistisch als der Stadtbaurat. Die CO2-Bepreisung ist bei ihnen als industriefreundlicher Papiertiger verrufen. Und auch die Klimaschutz-Beteuerungen von Bundeswirtschaftsminister Altmaier klingen vielen hohl, seit dieser die erneuerbaren Energien in Deutschland eher mit neuen Auflagen belegt als ihren Ausbau fördert.Wie also ist die Strategie der Bundesregierung zu bewerten, die einen erweiterten Erdgas-Import als Beitrag zur Energiewende bewirbt? Diese Frage greift auch ein aktuelles Positionspapier der Initiative „Scientists for Future“ auf, zu der sich fast 27.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengeschlossen haben. Eine der Verfasserinnen ist Claudia Kemfert, Energieexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW.„Wir wissen aus der Forschung: Wenn wir die Pariser Klimaziele umsetzen wollen, müssen wir uns Schritt für Schritt auch vom fossilen Erdgas verabschieden. Das heißt, fossiles Erdgas ist keine Brückentechnologie. Wir müssen die erneuerbaren Energien ausbauen. Und da wird es ein zu langes Festhalten an einer solchen angeblichen Brückentechnologie eher behindern. Wenn wir die Energiewende komplett ausbremsen und gar keine erneuerbaren Energien mehr zubauen und dann eine Versorgungslücke herbeireden, dann ist das politisch gewollt.“

Das Fazit des „Scientists for Future“-Papiers ist eindeutig: Der Ausbau der Erdgas-Infrastruktur in Deutschland verzögert die Energiewende und lässt sich nicht klimapolitisch begründen. Schließlich gibt es in der Europäischen Union derzeit schon weit über 30 LNG-Terminals, die alle nur zu etwa einem Drittel ausgelastet sind. Bei akutem Erdgas-Bedarf könnte sich Deutschland also von seinen Nachbarländern beliefern lassen. Auch die Berechnungen des DIW ergeben: Eine Versorgungslücke mit Erdgas droht auch unter extremen Bedingungen nicht, und die bestehende Infrastruktur in Europa ist ausreichend. Kemfert selbst hält ein deutschland-eigenes LNG-Terminal für ebenso überflüssig wie den Import von zusätzlichem russischem Erdgas über die umstrittene Pipeline Nord Stream 2. Doch wie kann es sein, dass die Energiesicherheits-Szenarien, auf die sich Politik und Wirtschaft berufen, so stark von den Prognosen ihres Instituts abweichen?„Ja, ich denke, es gibt hier Lobbyinteressen, die sicherlich sehr erfolgreich dafür eintreten, dass die fossile Infrastruktur sogar noch weiter ausgebaut wird. Wir haben ja eine ausreichende fossile Pipeline- und Flüssiggasterminal-Infrastruktur.“

Verbindliche Klima-Allianzen mit Exportstaaten

Dabei hätte die Bundesregierung viele Möglichkeiten, um wirksam die Weichen in ein Treibhausgas-freies Energiezeitalter zu stellen. Verbindliche Klima-Allianzen mit Exportstaaten könnten sicherstellen, dass importierte Rohstoffe rein auf der Basis von Biomasse, Wind und Sonne erzeugt würden. Und eine hohe Ökostrom-Quote im Inland würde garantieren, dass Deutschland von unerwünschten Entwicklungen im Ausland unabhängig bliebe: Russlands Einfluss wäre dann nämlich begrenzt und umweltschädliches Fracking in den USA würde nicht durch deutsche Nachfrage befördert. Versorgungslücken an wind- und sonnenarmen Tagen könnten durch vorausschauendes Management, durch bessere regionale Vernetzung und Batteriespeicher ausgeglichen werden, auch der Einsatz der Wasserstofftechnologie sei hier sinnvoll. Allerdings ist auch Wasserstoff nur dann ein Klimaschützer, wenn er aus Windenergie erzeugt wird und nicht aus Erdgas, gibt Kemfert zu bedenken. Darum ist die Energieexpertin sich sicher: Wer neu zu bauende Gas-Terminals als Beitrag zur Energiewende bewirbt, der muss gleichzeitig den Ausbau von erneuerbaren Energien massiv fördern. Anderenfalls ist er nicht glaubwürdig.„Das vermisse ich komplett in dieser ganzen Diskussion. Wir reden die ganze Zeit entweder über direkte fossile Energien wie beim Erdgas oder über indirekte fossile Energien wie beim Wasserstoff. Aber keiner redet davon, dass Wasserstoff mit erneuerbaren Energien hergestellt werden muss, und dass wir dazu mindestens eine Verdoppelung des jetzigen Ausbautempos bräuchten. Was wir nicht haben – Klammer auf, Klammer zu –, weil die Barrieren so stark eingebaut wurden. Und damit wir nicht wirklich auf dem Pfad sind, dass wir über eine grüne Energiewende reden, sondern eher über eine fossile.“