Vor der Küste bringt die Stadt Hamburg alle gegen sich auf – der Grund ist ernst

Der Hamburger Hafen hat ein großes Problem: Immer wieder muss Schlick aus der Elbe gebaggert werden. Jetzt wird kurz vor der Nordsee etwas gemacht, was für Stress sorgt.

Denn der Rand der Nordsee ist bei diesen Plänen der leidende Part. Grund genug für zahlreiche Menschen, auf die Barrikaden zu gehen.

Nordsee: Umweltverbände in Sorge

Die umstrittenen Hamburger Schlickpläne vor der Insel Scharhörn sind aus Sicht von Umweltverbänden „weder rechtlich zulässig noch aus Naturschutzsicht verantwortbar“.

Damit könnte auch eine Klage gegen das Vorhaben des Senats näher rücken, kurzfristig Elbschlick am Rande des Nationalparks Wattenmeer in der Nordsee zu versenken. „Wir prüfen das. Ich denke, dass wir das relativ schnell entscheiden können“, sagte die WWF-Expertin Beatrice Claus am Freitag in Hamburg.

Zunächst wollten die Verbände aber noch abwarten, wie die Wirtschaftsbehörde und die Hafenbehörde HPA auf die von den Umweltverbänden WWF, Bund und Nabu vorgetragenen Bedenken reagieren. Bis Montag wollen sie ihre Stellungnahme einreichen.

Schlimme Befürchtung für die Nordsee

Anders als die Stadt Hamburg gehen die Verbände davon aus, dass die Umweltauswirkungen einer Schlickverklappung vor Scharhörn deutlich höher sein werden, als von den Gutachtern der HPA prognostiziert. Die Gutachter hätten falsche Modellannahmen zugrundegelegt und berücksichtigten die Empfindlichkeit des Ökosystems nicht ausreichend, kritisierte Claus.

Das Baggergut enthalte Schwermetalle wie etwa Cadmium, Kupfer, Quecksilber, Zink sowie problematische organische Schadstoffe, die zwar von der Strömung verdünnt würden, aber gleichwohl über Anreicherung in den Nahrungsketten die Lebensgemeinschaften des Wattenmeeres gefährdeten.

Das Konzept der HPA, das darauf setze, dass sich die Sedimente möglichst schnell und weiträumig verbreiten, „ist Umweltpolitik aus den 70ern des letzten Jahrhunderts“, sagte Claus.

Nordsee: Streit um das Vorhaben

Eine Sprecherin der HPA betonte dagegen auf dpa-Anfrage, die vorgelegten Gutachten seien umfassend und vollständig und lägen deutlich über dem Standard vergleichbarer Vorhaben.

Der Strand der Vogelschutzinsel Scharhörn, die zu Hamburg gehört.
Foto: picture alliance / dpa

„Sie belegen ausführlich und nachvollziehbar die ökologische Unbedenklichkeit des Vorhabens.“ Sie verwies zudem darauf, dass die Umweltverbände selbst anmahnten, dass die ökonomisch und ökologisch nachteilige Kreislaufbaggerei bei Neßsand dringend auf ein Minimum reduziert werden müsse.

Bei Neßsand landet derzeit der größte Teil des ausgebaggerten Schlicks in der Elbe, um von dort binnen weniger Wochen zurückgespült zu werden.

Hamburg hat deswegen angekündigt, den bei der ständig nötigen Ausbaggerung der Elbe anfallenden Schlick künftig auch vor der zur Hansestadt gehörenden Vogelschutzinsel Scharhörn abzuladen.Wann damit begonnen wird, bleibt vorerst offen. „Nach jetzigem Stand kann frühestens Mitte März 2022 mit der Entlastung der Umlagerstelle Neßsand begonnen werden“, so die HPA-Sprecherin. „HPA bemüht sich derzeit um entsprechende Baggerkapazitäten.“

Hamburg vertritt den Standpunkt, dass für die Verbringung des Schlicks dorthin keine Genehmigung und auch kein Einverständnis der anderen Unterelbanrainer Niedersachsen und Schleswig-Holstein nötig sei.

Der von den Verbänden beauftragte Rechtsanwalt Rüdiger Nebelsieck sieht das anders: „Entweder ist die HPA selbst juristisch verwirrt oder die HPA wollte Sie verwirren“, sagte der Anwalt.

Ein Bagger holt bei Arbeiten zur Elbvertiefung Schlick aus einem Hafenbecken.
Foto: picture alliance/dpa

Die HPA-Sprecherin bekräftigte hingegen die Position der Hansestadt. Demnach bestimme das Wasserstraßengesetz „ausdrücklich, dass Maßnahmen, die der Unterhaltung der Bundeswasserstraßen dienen, keiner wasserrechtlichen Erlaubnis, Bewilligung oder Genehmigung bedürfen“.

Daher sei für die Nutzung einer hamburgischen Verbringstelle in der Außenelbe auch kein gesondertes Einvernehmen der betroffenen Länder erforderlich.

Zudem haben die Nachbarländer aus Hamburger Sicht mit ihrer Zustimmung zur jüngsten Elbvertiefung quasi automatisch auch ihr Einverständnis mit den damit verbundenen Unterhaltungsmaßnahmen erklärt.

Nordsee: Schutz für das Wattenmeer gefordertBund-Geschäftsführer Lucas Schäfer wies darauf hin, dass das die vorgesehene Verbringungsstelle unmittelbar in der Nähe eines Gebietes liege, das unter anderem durch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU geschützt sei sowie an der Grenze zum Nationalpark Wattenmeer und dem Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer liege, das länderübergreifend als eine Einheit zu betrachten sei. Das Wattenmeer ist auf drei Nationalparks aufgeteilt, die den drei angrenzenden Bundesländern zugeordnet sind.Schäfer forderte, eine Gefährdung durch einen Hamburger Alleingang ohne Abstimmung mit den Nachbarbundesländern müsse ausgeschlossen werden.

„Hamburg ist dabei, sich gerade politisch zu isolieren“, sagte der Hamburger Nabu-Vorsitzende Malte Siegert. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies hatte bereits angekündigt, seinerseits rechtliche Schritte prüfen zu lassen. (dpa/lfs)